Unser Beitrag zum „Tag gegen DRM“
Neulich, da war ich im Kino. Bei der Werbung vor dem Film, da muss ich eingeschlafen sein. Jedenfalls sah ich anstelle der „Raubkopierer-sind-echte-Helden“-Werbung einen jungen Mann und eine junge Frau in irgendeiner Bar der Welt beim Kennenlernen und aus dem Off kam eine Stimme, die irgendwo zwischen informativ-sachlich und weiblich-sinnlich zum Kinopublikum sprach:
Wenn Sie in einer Bar eine fremde Frau ansprechen, schulden Sie uns Lizenzgebühren für jeden Satz, den Sie ihr ins Ohr flüstern. Das ist nämlich von der gesetzlichen Freiheit der privaten Verwendung nicht umfasst: Schließlich gehört sie nicht zu Ihrem engsten Familienkreis. Noch nicht. Falls Sie sie dereinst heiraten sollten, dann können Sie ihr ohne Berechnung sagen, was Sie wollen — jedenfalls solange es kein anderer hören kann.
Mit Ihren eigenen Worten? — Sie haben keine eigenen Worte. Sie haben keinen eigenen Gedanken. Sie können keinen eigenen Gedanken haben. Alles ist schon einmal gedacht und geschrieben worden, von uns oder einem unserer Partnerunternehmen. Sie könnten unendlich viele Affen wild auf eine Tastatur eindreschen lassen; sie werden keinen Text erzeugen, für den wir nicht die Urheberrechte besitzen. Wir können das beweisen, denn wir haben dieses Verfahren patentiert.
„Sie sehen bezaubernd aus“ oder „Woher kenne ich Sie?“ kosten einen Euro; aber keine Frau, die auf sich hält, wird sich heute mit derart billigen Sätzen anbaggern lassen. Machen Sie mit Ihrem iKnow einen Scan von ihr und wir senden Ihnen für 8,99 Euro pro Satz eine maßgeschneiderte Konversation.
Schnitt. Das junge Paar aus der Anfangsszene verlässt die Bar, Arm in Arm. Die Stimme aus dem Off erklärt:
Falls Sie Erfolg haben, denken Sie rechtzeitig daran, unsere Bett-Flatrate zu buchen. Wir haben alle Rechte auf jede bekannte Stellung seit Oswalt Kolle und ohne die Flatrate müssten wir Ihnen jeden Positionswechsel einzeln berechnen.
Mit der Flatrate können Sie das alles abdecken. Falls Sie allerdings katholisch sind und beim Verkehr verhüten, müssten wir noch einmal acht Prozent Kirchensteuer aufschlagen; dafür gilt dann aber die Absolution als erteilt.
Überblendung. Die junge Frau aus der ersten Szene. Sie ist schwanger.
Falls Sie nicht verhüten und ein Kind bekommen, wird schon bei der pränatalen Diagnostik das Genom analysiert und berechnet, welche Lizenzgebühren im Fall der erfolgreichen Geburt an die Patentinhaber abzuführen sind. Wenn Sie Glück haben, ist eine Rekombination dabei, die noch nicht patentiert ist; die können Sie verkaufen und so die Geburtskosten erheblich senken. Bei der ersten Lizenzerneuerung nach 30 Jahren muss der neue Erdenbürger dann allerdings „seine“ Neukombination mitbezahlen.
Ein Baby wird gezeigt. Es niest.
Gesundheit! Das Niesen ist von Hoffmann-LaCie als eingetragene Gesundheitsprozedur geschützt worden; falls Sie in der Öffentlichkeit niesen, müssen Sie uns je nach Jahreszeit zwischen einem und drei Euro bezahlen. Husten ist seit der letzten Grippeepidemie gemeinfrei und kostet nichts.
Das Baby lacht, strampelt ein bisschen und pupst schließlich, lange und laut. Dazu die Stimme:
Furzen in der Öffentlichkeit wird mit 1,99 Euro berechnet, allerdings sind 54 Cent davon keine Lizenzgebühren, sondern eine staatliche Klimaschutzabgabe.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen in unserer Welt des Totalen Geistigen Eigentums!
4. Mai 2011
Kategorien: Aufgefischt . Schlagwörter: digital restrictions management (DRM) . Autor: frob . Comments: 1 Kommentar